„Diese Momente brennen sich ein“

Event-Datum: 
Freitag, 10 Dezember, 2021
Biathlet Simon Schempp von der Ski-Zunft Uhingen hat die Höhen und Tiefen seiner erfolgreichen Karriere in ein Buch gepackt. Noch immer verfolgt er seinen Sport mit großem Interesse.
 
Der Körper spielte auf der Zielgeraden seiner lange erfolgreichen Karriere nicht mehr mit - im vergangenen Januar erklärte Simon Schempp seinen Rücktritt. Während die Weltelite an diesem Wochenende in Hochfilzen an den Start geht, lässt der Gewinner von drei Olympia- und acht WM-Medaillen mit einer Buchveröffentlichung aufhorchen. In „Zieleinlauf" beleuchtet der 33-iährige Schwabe mit Wahlheimat Ruhpolding die Sonnen und Schattenseiten seiner Profilaufbahn.
 
An diesem Wochenende trifft sich die Biathlon-Elite an ihrer zweiten Weltcupstation in Hochfilzen. Wie nahe sind Sie noch am Geschehen dran?
Simon Schempp: Schon noch nah, denn ich werde in Hochfilzen vor Ort dabei sein. Zum einen habe ich eine besondere Verbindung zu diesen Strecken, weil ich dort Massenstart-Weltmeister geworden bin. Zum anderen wird am Wochenende mein Buch veröffentlicht. Ob ich bei weiteren Weltcups dabei bin, ist von der Corona-Situation abhängig.
 
Sie sind unter die Autoren gegangen, gelten aber ansonsten eher als zurückhaltend. Wie kam es dazu?
Ein Verlag hat bei mir angefragt, ich habe nachgedacht und zugesagt. Ich habe schon immer gerne Sportlerbiografien gelesen, weil ich wissen wollte, wie etwa Jan Frodeno oder Rafael Nadal ticken. Das ist hoch spannend. Zudem gab es bislang so etwas von einem deutschen Biathleten noch nicht. Auf diese Art und Weise nochmals alles Revue passieren zu lassen, ergab für mich einen runden Abschluss.
 
Haben Sie während ihrer Karriere Tagebuch geführt oder jetzt kräftig in den Erinnerungen gekramt?
Ich habe mich auf mein Gedächtnis verlassen und es relativ gut geschafft, die Erlebnisse noch einmal in Zusammenarbeit mit Florian Kinast abzurufen. Ich habe meine Karriere sehr intensiv erlebt, diese Momente brennen sich ein. Aufgeschrieben wurden immer nur die Trainingsdaten und -werte.
 
Gibt es denn schon Reaktionen auf ihre seit einigen Tagen angekündigte Buchveröffentlichung?
Ich wurde bereits mehrfach auf das Buch angesprochen, allein mein Fanclub hat schon 50 Exemplare geordert und möchte auch, dass ich die Bücher signiere. Es wird aber keine große Präsentation oder gar eine Lese-Reise von mir geben.
 
Sie beschreiben auf rund 300 Seiten ihren Weg in die Weltspitze, die Stationen der größten Erfolge, aber auch Rückschläge und Enttäuschungen. Dabei bleibt Kritik am Verhalten von Trainern nicht aus, gehört das dazu?
Letztlich ist es in einem solchen Verhältnis wie in der Gesellschaft auch, es existieren verschiedene Meinungen und die Auffassungen von Athlet und Trainer stimmen nicht immer überein. Auch in meiner Karriere gab es Situationen in denen ich anders entschieden hätte oder anderer Meinung war.
 
Umstritten wegen Dopingvorwürfen ist bis heute der Olympiasieg der russischen Staffel bei den eigenen Spielen 2014 in Sotschi. Sie führten das deutsche Quartett als Schlussläufer auf den Silber-Rang. Wird daraus noch die Goldmedaille?
Im Moment gibt es in dieser Sache nichts Neues, der Fall Jewgeni Ustjugow, damals zweiter Mann in der Staffel, liegt nach dessen Einspruch gegen die Sperre beim internationalen Sportgerichtshof in der Schweiz.
 
Sie haben sich mittlerweile neu orientiert. Welche Aufgabe haben Sie nach dem Profisportler-Dasein für sich gefunden?
Nach einem Praktikum im Frühjahr habe ich im September ein dreijähriges duales Studium in  München begonnen und bin beim Deutschen Skiverband in Planegg im Ressort Finanzen angestellt. Bisher habe ich nur die Sicht des Sportlers gekannt, jetzt lerne ich eine neue Seite kennen, die mich sehr interessiert und mir Spaß macht.
 
Welchen Bezug haben Sie aktuell zum Biathlon, nach einem ersten Sommer, in dem nicht die Saisonvorbereitung auf Weltcup und Olympische Winterspiele im Mittelpunkt stand?
Der Bezug ist noch eng, ich schaue wie zuletzt beim Auftakt in Östersund am Fernseher zu und fiebere begeistert mit. Mein Herz schlägt auch weiterhin für den Biathlon.
 
Zumal ihre Partnerin FranziskaFreuß ja weiter in der Weltspitze mitmischt. Wie sehr leben Sie bei ihren Wettkämpfen mit?
Mit Franzi fiebere ich natürlich am meisten mit. Sie kann diesen Winter wieder weit nach vorne kommen.
 
Wie haben Sie den Einstieg des deutschen Teams in den Weltcup- Winter gesehen. Was hat Östersund gezeigt?
Den Einstieg von Franzi und Denise Herrmann fand ich vielversprechend, danach klafft schon eine Lücke. Benni Doll wird läuferisch hoffentlich noch zulegen können, Philipp Nawrath hat einen tollen Sprint und damit sein Potenzial gezeigt. Mehrere Männer sind läuferisch auf Schlagdistanz zur Spitze und ich hoffe, dass wir noch schöne Ergebnisse zu sehen bekommen.
 
Nicht mehr dabei ist auch Dauerrivale Martin Fourcade. Gibt's Kontakt?
Erst im Sommer waren Franzi und ich in Frankreich, sie ist bei seinem Nordic Festival gestartet. Wie eng unsere Verbindung ist, zeigt sich darin, dass Martin Fourcade das Vorwort in meinem Buch geschrieben hat.
 
Zur Person: Simon Schempp
Stationen: Simon Schempp, in Mutlangen geboren und in Uhingen aufgewachsen, lebt heute mit Partnerin Franziska Preuß in Ruhpolding. Der 33-Jährige, der im vergangenen Januar seine Karriere beendete, war 2017 in Hochfilzen Weltmeister im Massenstart, 20l8 gewann er in dieser Disziplin Olympia-Silber in Pyeongchang. Schempp war über zehn Jahre hinweg als Schlussläufer an vielen deutschen Staffel- Erfolgen beteiligt, insgesamt stehen für den zehnmaligen Deutschen Meister drei olympische und acht Weltmeisterschafts-Medaillen sowie 18 Siege im Weltcup zu Buche.
 
Buch: Ab 14. Dezember ist das Buch „Zieleinlauf" von Simon Schempp (Hardcover, 304 Seiten, Riva-Verlag, 22Euro) erhältlich – es ist die Autobiografie eines sympathischen Spitzensportlers, der die Höhen und Tiefen seiner entbehrungsreichen Laufbahn zu Papier gebracht hat.  Swp/Harald Betz vom 10.12.2021
geschrieben: 10. Dezember 2021 - 11:28 ; letzte Änderung: 18. April 2024 - 17:34